Wie verbringen die Thüringer die Advents- und Weihnachtszeit?
Fachwerkstädte und Residenzschlösser erstrahlen im Lichterglanz, über den Marktplätzen liegt der Duft von Glühwein und gebrannten Mandeln, und in den Dörfern rund um den Thüringer Wald kehrt eine stille, fast archaische Winteratmosphäre ein. Es ist Adventszeit in Thüringen.
Ich bin gebürtiger Thüringer, habe aber sehr viel Zeit in anderen Regionen, auch außerhalb Deutschlands verbracht. Dazu gehört auch das eine oder andere Weihnachtsfest. Ich bin oft gefragt worden, wie man in Thüringen die Adventszeit und das Weihnachtsfest verbringt und wie sich das von anderen Teilen Deutschlands und Europas unterscheidet.
Das lässt sich kaum in wenige Worte fassen und, ehrlicherweise, unterscheidet sich natürlich auch in Thüringen zwischen den Generationen und Regionen.
Also versuche ich einfach mal, dies in einem kurzen Artikel niederzuschreiben.
Advents- und Weihnachtszeit in Thüringen

Zwischen Domstufen und Dichterstätten, Glasbläserwerkstätten und verschneiten Höhenwegen zeigt sich die Weihnachtszeit in Thüringen von erstaunlich vielfältigen Seiten. In den Städten locken große Weihnachtsmärkte mit historischen Kulissen und kulturellem Programm, während in kleineren Orten oft nur an einem Adventswochenende der ganze Ort auf den Beinen ist, um einen stimmungsvollen Markt oder ein Krippenspiel auf die Beine zu stellen. Zahlreiche Kirchenkonzerte, Posaunenchöre und Adventsmusiken sorgen dafür, dass die besinnlichen Töne nicht zu kurz kommen.
Auch zu Hause spielen Traditionen eine große Rolle. Viele Familien verbinden den Heiligabend mit festen Ritualen: einem Besuch der Kirche, die man sonst oft das ganze Jahr nicht von innen sieht, der Bescherung im engsten Kreis und typischen Speisen. Allerdings spart man den Genuss von Thüringer Klößen und der Weihnachtsgans für die eigentlichen Feiertage auf. Zu Heiligabend besteht das Abendessen vieler Thüringer Familien eher aus Würstchen und Kartoffelsalat, manchmal auch Fisch oder Suppe, aber oft ist der Kartoffelsalat ein MUSS.
In den Feiertagen bleibt Zeit für Verwandtenbesuche, winterliche Spaziergänge, Ausflüge auf Weihnachtsmärkte, Konzerte oder in die Natur – und für Momente der Ruhe, die gerade in der dunklen Jahreszeit besonders kostbar sind.
Advent in Thüringen – Geschichte und Stimmung

Der Advent hat in Thüringen eine lange Tradition, die eng mit der christlichen Prägung Mitteldeutschlands und der Geschichte der Residenzstädte und Klosterlandschaften verbunden ist. Schon im Mittelalter bereitete man sich in den Kirchen und Klöstern mit Fastenzeiten, besonderen Gottesdiensten und Prozessionen auf das Weihnachtsfest vor.
Mit der Reformation erhielt die Adventszeit in vielen Gegenden einen stärker haus- und familienbezogenen Charakter: das gemeinsame Singen von Chorälen, das Lesen biblischer Texte und später das Vorbereiten kleiner Geschenke für die Kinder gehörten dazu. Bis heute prägt offensichtlich dieses Wechselspiel aus kirchlicher Tradition und bürgerlichem Familienleben den Advent im Freistaat.
In der Adventszeit verändert sich das Bild der Städte und Dörfer deutlich. Fachwerkfassaden, Rathäuser und Kirchen werden dezent, aber stimmungsvoll beleuchtet, auf vielen Marktplätzen stehen geschmückte Tannenbäume, und aus den Häusern duftet es nach frisch gebackenen Plätzchen.
Besonders eindrücklich ist die Atmosphäre in den historischen Altstädten, wo sich Lichterketten über die engen Gassen spannen und Glockengeläut mit dem Klang von Posaunenchören zusammentrifft. Auf dem Land spielt die Dorfgemeinschaft eine wichtige Rolle: Vereine, Feuerwehren und Kirchengemeinden organisieren Adventsnachmittage, Konzerte und kleine Märkte, bei denen man sich kennt und Zeit für ein Gespräch bleibt.
Typische Adventsbräuche sind fest im Jahreslauf verankert. In einigen Familien wird der Adventskranz zwar noch selbst gebunden, aber dies hat doch deutlich abgenommen. Man bekommt weihnachtliche Dekorationen an viel Ecken und Geschäften zu kaufen.
Adventskalender – ob gekauft, selbst gebastelt oder als Stofftaschen über Generationen weitergegeben – sind für Kinder wie Erwachsene selbstverständlich. Allerdings haben auch die Wichtel in den letzten Jahren Einzug in die Häuser und Wohnungen gehalten. Meine Enkel können sich die Adventszeit ohne Wichtel kaum noch vorstellen.
Advents- und Benefizkonzerte, das gemeinsame Singen traditioneller Lieder, Weihnachtsfeiern in Schulen, Vereinen und Betrieben sowie erste Besuche auf den Weihnachtsmärkten gehören auch in Thüringen zu den festen Ritualen.
Regionale Traditionen und Brauchtum
Wer Advent und Weihnachten in Thüringen erlebt, merkt schnell: Von Region zu Region unterscheiden sich Stimmung und Bräuche spürbar. Aber es spielt auch eine große Rolle, ob man in einer größeren Stadt oder eher ländlich lebt. Nicht zuletzt spielt natürlich auch das Alter eine Rolle.

Winterzauber im Thüringer Wald und am Rennsteig
Besonders im Thüringer Wald und entlang des Rennsteigs prägt die Landschaft das Fest. Wenn Schnee auf den Fichten liegt und die Orte in den Tälern im Lichterglanz versinken, entstehen beinahe bilderbuchhafte Winterszenen.
Viele Gemeinden laden zu Fackel- und Winterwanderungen ein, oft mit anschließendem Glühwein, Bratwurst und Musik am Lagerfeuer.
In kleinen Bergorten haben handwerklich geprägte Adventsmärkte Tradition, bei denen Vereine, Schulen und Familien Selbstgemachtes verkaufen – von Kunsthandwerk bis zu Marmeladen und Weihnachtsgebäck.

Urbanes Weihnachtsflair im Städtedreieck Erfurt–Weimar–Jena
Im Städtedreieck Erfurt–Weimar–Jena zeigt sich die Weihnachtszeit eher urban und kulturgeprägt. Hier treffen historische Bürgertraditionen auf ein dichtes Programm aus Konzerten, Theater, Ausstellungen und Lesungen.
In Erfurt bilden Dom und Severikirche die eindrucksvolle Kulisse für den Weihnachtsmarkt, kirchliche Feiern und geistliche Musik, während in der Klassikerstadt Weimar auch weihnachten immer wieder Bezüge zu Literaten und Komponisten hergestellt werden, die die Weihnachtszeit in ihren Werken aufgegriffen haben.
In Jena spielen neben Kirchenmusik auch die Universitäts- und Studentenkultur eine Rolle – etwa bei Adventskonzerten von Chören und Orchestern oder kleineren, alternativen Märkten.
Eichsfeld, Rhön und Altenburger Land – gelebtes Brauchtum
Ganz eigene Akzente setzen das Eichsfeld, die Rhön oder das Altenburger Land. Im vorwiegend katholischen Eichsfeld sind Prozessionen, Krippenspiele und die feierliche Gestaltung der Kirchenräume tief verwurzelt. Hier werden Krippen oft mit großer Liebe zum Detail aufgebaut, und die Christmette gehört für viele Familien selbstverständlich zum Heiligabend. In der Rhön verbinden sich ländliche Traditionen mit einer starken Naturverbundenheit: Weihnachtswanderungen, gemeinsame Singabende und Vereinsfeste prägen das Bild.
Das Altenburger Land wiederum ist für seine lebendige Vereinskultur bekannt; Musik- und Heimatvereine organisieren Adventskonzerte, Theateraufführungen und teils humorvolle weihnachtliche Programme. So entsteht in Thüringen ein Mosaik aus regionalem Brauchtum, das von stillen, religiös geprägten Momenten bis zu geselligen Dorffesten reicht – immer eng verknüpft mit Geschichte, Landschaft und Gemeinschaftsgeist der jeweiligen Region

Wie Familien Heiligabend und Weihnachten in Thüringen feiern
Weihnachten ist in Thüringen vor allem ein Familienfest. Neben regionalen Unterschieden und individuellen Gewohnheiten gibt es viele Rituale, die sich in zahlreichen Haushalten wiederfinden.
Der Ablauf des Heiligabends
Der 24. Dezember ist für viele ein Tag zwischen Geschäftigkeit und Vorfreude. Am Vormittag werden letzte Einkäufe erledigt, Geschenke verpackt und die Wohnung festlich vorbereitet. In einigen Familien wird der Weihnachtsbaum traditionell erst am Heiligabend aufgestellt und geschmückt, oft unter Ausschluss der Kinder, damit der geschmückte Baum zur Bescherung als Überraschung wirkt. In den meisten Haushalten steht er aber schon in der Adventszeit.
Der Nachmittag ist häufig der Übergang vom Alltags- zum Festmodus. Familien mit kleineren Kindern besuchen vielerorts Krippenspiele in der Kirche, bei denen die Weihnachtsgeschichte aufgeführt wird. In evangelisch geprägten Regionen gehört die Christvesper am späten Nachmittag oder frühen Abend für viele selbstverständlich zum Heiligabend. Danach versammelt man sich zu Hause, zündet Kerzen an, singt vielleicht noch ein oder zwei Weihnachtslieder – und schließlich folgt die Bescherung.
Die Gestaltung des Heiligabend-Essens fällt unterschiedlich aus. Viele Familien bevorzugen bewusst ein einfaches, leichtes Gericht wie Kartoffelsalat mit Würstchen, um einerseits den Zeitaufwand gering zu halten und den Fokus auf die Bescherung und das Beisammensein zu legen.
Andere servieren schon am 24. einen festlichen Braten oder eine Wildspezialität mit Klößen und Rotkohl, insbesondere wenn sich Verwandte bereits zum Heiligabend treffen. Gemeinsames Essen, Gespräche und vielleicht ein Gesellschaftsspiel oder ein vertrauter Weihnachtsfilm runden den Abend ab.

Weihnachtsfeiertage – Besuche, Ruhe und Natur
Die beiden Weihnachtsfeiertage sind in Thüringen klassisch der Familie und dem engsten Freundeskreis vorbehalten. Häufig werden Verwandtenbesuche auf die Feiertage verteilt: Am ersten Feiertag kommt man vielleicht bei den Eltern oder Schwiegereltern zusammen, am zweiten bei Geschwistern oder Freunden. Gern wird dabei groß aufgekocht – mit den traditionellen Festgerichten, reich gedeckten Kaffeetafeln und dem obligatorischen „Resteessen“ am Abend.
Zwischen den Mahlzeiten bleibt Zeit für gemeinsame Aktivitäten. Beliebt sind Spaziergänge, besonders wenn Schnee liegt: durch den Stadtpark, entlang historischer Gassen oder über winterliche Feldwege und durch verschneite Wälder. In Regionen mit entsprechenden Bedingungen werden Schlitten ausgepackt, kleinere Rodelhänge genutzt oder Skitouren unternommen. Andere nutzen die Feiertage für Ausflüge – zu weiteren Weihnachtsmärkten, in Museen, zu Burgen und Schlössern oder zu Konzerten und Orgelmusiken in den Kirchen.
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- Frauenberger, Herbert(Autor)
Religiöse und weltliche Traditionen
Wie stark der religiöse Anteil an Weihnachten ist, variiert von Familie zu Familie. In konfessionell geprägten Gegenden – etwa im Eichsfeld – sind Christmette, festliche Gottesdienste, Gebete vor dem Essen und das Singen von Chorälen fest verankert. In vielen anderen Haushalten wiederum steht eher der kulturell gewachsene Brauch im Vordergrund: die Weihnachtsgeschichte wird vielleicht vorgelesen, aber die Feier selbst ist weltlich geprägt.
Zum festen Bestandteil gehören für viele Weihnachtslieder – ob live gesungen, auf CD oder im Radio – und klassische Filme oder Fernsehsendungen, die jedes Jahr wiederkehren. Gesellschaftsspiele, Kartenspiele oder Puzzles rücken ebenfalls in den Vordergrund, wenn man endlich Zeit füreinander hat. Kinder probieren neue Geschenke aus, Erwachsene nutzen die ruhigeren Stunden zum Lesen oder für ausführliche Gespräche.
Stadt und Land – unterschiedliche Akzente
Zwischen Stadt und Land zeigen sich feine, aber deutliche Unterschiede in der Festgestaltung. In ländlichen Regionen spielt die Dorfgemeinschaft eine große Rolle: Vereine, Feuerwehren und Kirchengemeinden prägen die Adventszeit und teilweise auch die Feiertage mit Gottesdiensten, Konzerten oder kleinen Umzügen. Man kennt sich untereinander und trifft sich nach der Kirche oder beim Spaziergang immer wieder.
In den Städten ist das Angebot an kulturellen Veranstaltungen, Weihnachtsmärkten und Gastronomie größer, sodass Ausflüge in Museen, Theater oder auf späte Märkte häufiger Teil des Programms sind. Gleichzeitig ziehen sich viele Stadtfamilien an den Feiertagen bewusst in die eigene Wohnung zurück, um nach der geschäftigen Adventszeit Ruhe zu finden.
Allen Unterschieden zum Trotz bleibt der Kern ähnlich: Weihnachten in Thüringen ist vor allem ein Fest der Nähe – zur Familie, zu Freunden, aber auch zur eigenen Geschichte und den Traditionen, mit denen viele aufgewachsen sind und die sie an die nächste Generation weitergeben.
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